Ostbelgierin holt Gold: Eléa Henrard ist die neue Landesmeisterin im 800-Meter-Lauf
Am Samstag fand in Gent die Indoorwalloniemeisterschaft der Erwachsenen statt. Die 18-jährige Eléa Henrard aus Hergenrath, die als Jahresschnellste über 800 Meter an den Start ging, wurde ihrer Favoritenrolle gerecht. Wir haben uns mit ihr unterhalten.
Von Martin Brodel
Eléa Henrard sicherte sich in einer Zeit von 2:09,77 Minuten die Goldmedaille und feierte damit den größten Sieg ihrer noch jungen Karriere. Sie verwies die acht Jahre ältere Riet Vanfleteren (2:11,02) und die gleichaltrige Camille Muls (2:11,84) mit etwas Abstand auf die weiteren Plätze.
Bisher war es öfters so, dass Eléa Henrard wegen ihrer Schwäche im Endspurt die wichtigen Rennen verlor. Daher war die Wahl der Taktik sehr wichtig. Denn die ein oder andere Konkurrentin ist über 400 Meter ein gutes Stück schneller und hat somit einen Vorteil im Falle eines Schlussspurts. Nach dem Wettkampf spricht die Hergenratherin über die Vorbereitung zum Rennen, den Wettkampf und ihre weiteren Pläne für dieses Jahr.
In der vergangenen Woche haben Sie bei einem internationalen Meeting in Gent eine neue persönliche Bestmarke aufgestellt und sind obendrein eine belgische Jahresbestzeit gelaufen. Das machte Sie ein bisschen zur Favoritin. Hat Sie diese Tatsache beflügelt oder eher ein bisschen nervös gemacht?
Ich war erstaunlicherweise viel ruhiger als sonst. Eigentlich bin ich bei Landesmeisterschaften sehr nervös. Viele Tage vorher stelle ich mir schon vor, wie das Rennen ablaufen könnte und welches die beste Taktik wäre. Meine Bestzeit der vorigen Woche hat mir Mut gegeben, ich hatte Vertrauen in meine Fähigkeiten.
Mit welchen taktischen Vorgaben sind Sie das Rennen angegangen und sind diese Vorgaben von Beginn an aufgegangen?
Mein Trainer Lutz Müller und ich hatten gehofft, dass Camille Muls Tempo macht und dass ich einfach hinterherlaufe und sie dann in der letzten Runde überhole. So wären wir ein hohes Tempo gelaufen und manche Gegnerinnen wären schnell in Schwierigkeiten geraten. Wir sind dann die ersten 400 Meter nur in 66 Sekunden gelaufen. Ich bin mit Camille Muls vorne mitgelaufen, aber man hat gespürt, dass keiner wirklich „ziehen“ wollte. Meine Taktik war, auf Lutz ́ Anweisungen während des Laufs zu hören. Nur er konnte sehen, wie das Rennen abläuft und welche die beste Lösung wäre, um zu gewinnen. Er rief mir 250 Meter vor dem Ziel zu, dass ich anziehen und durchziehen sollte bis zum Ziel. Das habe ich dann auch gemacht. Ich hatte am Anfang Angst, dass ich zu früh losgesprintet bin und dass ich am Ende fürchterlich einbrechen werde. Doch ich habe gut bis zum Ziel gekämpft.
Wann spürten Sie zum ersten Mal, dass der Sieg möglich war?
Die letzten 75 Meter hatte ich das Gefühl, dass ich tatsächlich gewinnen kann. Ich habe das an den Anfeuerungsrufen gehört. Aber bis zum Ende habe ich mich nie getraut, mich umzudrehen, um zu schauen, wo sich die Zweite befindet. Meine Beine brannten stark auf den letzten 20 Metern. Ich habe so sehr gehofft, dass niemand noch von hinten kommt. Erst im Ziel habe ich aber wirklich gemerkt, dass ich es geschafft hatte.
Wie fühlten Sie sich unmittelbar nach dem Zieleinlauf?
Am Anfang habe ich es gar nicht realisiert. Erst ein paar Minuten später konnte ich mir sagen, dass ich belgische Meisterin geworden bin. Das ist ein unglaubliches Gefühl. Dieses Gefühl übertrifft alle schwierigen Momente, die jeder Sportler kennt. Noch jetzt kann ich es kaum fassen.
Sie haben schon einige Titel gewonnen und sind tolle Zeiten gelaufen. Würden Sie diesen Sieg in Gent als den Höhepunkt Ihrer Karriere bezeichnen?
Es ist das beste Ergebnis, dass ich je erreicht habe bei einer Meisterschaft. Doch es ist nur die Indoormeisterschaft. Die Titelkämpfe im Sommer sind noch wichtiger. Ich muss weiterhin gut trainieren, denn es sind nicht unbedingt die belgischen Meisterschaften, die einen zur WM bringen können. Um die geforderten Kriterien für die Juniorenweltmeisterschaften zu erfüllen, muss ich noch schneller werden. Das ist nur möglich, indem ich an stark besetzten Läufen teilnehme. Ich hoffe, dass meine Karriere noch lange nicht zu Ende ist.
Viele gute Athleten hören mit 18 Jahren wegen ihres Studiums für längere Zeit oder gar für immer auf. Sie haben sich dazu entschieden, Ihr Studium zeitlich zu strecken, um Ihre Laufkarriere weiter fortzuführen. Nun sind Sie eine Bestzeit gelaufen und konnten einen Landesmeistertitel gewinnen. Ist Ihr Training so gut verlaufen, dass damit zu rechnen war?
Ich bin sehr glücklich, dass es sich sofort gelohnt hat, mein Studium zu verlängern. Studieren ist ein Risiko, wenn man weiterhin gute Ergebnisse erreichen will. Davor hat man mich gewarnt. Ich habe mich freiwillig entschieden, diesen Weg zu gehen. Es ist schwierig, in Gembloux (Henrard hat dort im September ein Bio-Ingenieur-Studium aufgenommen, A. d. R.) zu trainieren. Dort gibt es keine Laufbahn, und immer alleine zu trainieren ist auch nicht ideal. Ich habe ein bisschen mehr Basistraining gemacht und ich denke, das hat mir geholfen, die letzten Meter besser durchzuhalten. Schon beimersten Crosslauf habe ich gemerkt, dass ich stärker als vorher war. Im letzten Monat beim Training bin ich gute Zeiten gelaufen, es sah also vielversprechend aus. Das hat natürlich mein Selbstvertrauen gestärkt.
In einigen Wochen steht noch die belgische Juniorenmeisterschaft auf dem Programm.
Ist dort die Konkurrenz ähnlich stark wie bei den Erwachsenen?
Alle Juniorinnen, die bei der Meisterschaft laufen werden, sind auch in Gent gelaufen. Ich kenne also meine Konkurrenz, und die ist fast genauso stark. Der Titel ist überhaupt noch nicht in der Tasche. Alles kann passieren in einem Lauf. Deshalb werde ich jetzt ohne Stress bis dahin weiter trainieren – auch wenn man mir sagt, dass ich die Favoritin bin.
Welches sind Ihre Ziele für die diesjährige Sommersaison? Werden Sie sich weiterhin auf die 800 Meter konzentrieren?
Ich werde mich weiterhin auf die 800 Meter konzentrieren. Doch ich werde bestimmt auch ein paar Rennen über 1.500 Meter laufen. Ich werde versuchen, mich für die WM zu qualifizieren. Dafür muss ich 2:05,73 Minuten laufen. Das ist schwierig, aber möglich. Über 1.500 Meter muss ich 4:20 Minuten laufen. Das könnte sogar ein bisschen einfacher sein. Ich muss einfach ohne Druck weiter trainieren und einmal in einem Rennen mit guten Läuferinnen sein, die mich mitziehen. Natürlich muss ich auch sehr organisiert sein, denn mir steht auch noch eine Prüfungsphase bevor. Da ich aber alle Prüfungen im Januar geschafft habe, kann ich mich komplett auf die Endjahresprüfungen konzentrieren. Ich möchte natürlich auch den Meistertitel draußen holen. Doch da könnte die Konkurrenz noch stärker sein.
Vollständiger Bericht auf der Grenz Echo Webseite